Die öffentlichen Toiletten sind dahinten

Es war ein ungemütlicher regnerischer Tag in einer norddeutschen Kleinstadt, einer Kurstadt, als sich ungeheuerliches ereignete. In einem benachbarten Dorf gibt es eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft für Erwachsene Männer und Frauen mit seelischer und geistiger Behinderung.Betreut wird die neunköpfige Gruppe unter anderem von einer körperbehinderten Ergotherapeutin, die im Rollstuhl sitzt. Einmal in der Woche ist „Stadt-Tag“. Die diensthabende Betreuungskraft fährt dann mit denen, die mit wollen in die Kleinstadt. Einige der Männer und Frauen haben Schwierigkeiten, sich alleine zu orientieren und bleiben darum mit der Betreuerin zusammen.Manchmal wollen auch die selbständigeren nich alleine bummeln gehen. So war es auch an diesem Tag. Nachdem einige kleine Einkäufe getätigt waren, Süßigkeiten, Zeitschriften, ein paar Blümchen für den Küchentisch in der Wohngruppe, sagte einer der Betreuten, er müsse mal auf die Toilette. Die Betreuerin, die Rollifahrerin, überlegte kurz und sagte dann: „Am besten gehst du da beim Bäcker mit dem Café“. Es war wirklich widerliches Wetter, windig und ein leichter Sprühregen hatte eingesetzt. Der Mann betrat die Bäckerei gefolgt von der Rollifahrerin und den übrigen vier Männern und Frauen. Die Verkäuferin blickte etwas mürrisch drein und wollte, dass jemand aus der Gruppe etwas kauft. Die Betreuerin sagte ihr, dass doch nur einer die Toilette benutzen wolle. Darauf meinte die Verkäuferin: „Die öffentlichen Toiletten sind aber dahinten“. Wie großzügig und wie rücksichtsvoll. Ihr war offenbar nämlich nicht klar, dass eine Betreuerin, die im Rolli sitzt, bei öffentlichen Toiletten, die nur über eine Treppe zu erreichen sind, Schwierigkeiten hat, ihre Gruppe ausreichend zu beaufsichtigen. Behindertentoiletten gibt es in der Kleinstadt auch. Aber die wären einen halben Kilometer weiter gewesen und sind zudem nur von Leuten mit Euroschlüssel zu benutzen. Der Mann durfte aufs Klo gehen. Aber für die Gruppe war die Situation sehr unangenehm. Zum Glück war das Café fast leer.