HILFE – Hilfe

Kann ich Ihnen helfen? – Brauchst Du Hilfe? – Unsere Mitmenschen helfen gerne. Und das ist auch gut so. Aber nicht immer wird Hilfe gebraucht oder gewünscht. Hilfe kann auch demütigen, entmündigen, erniedrigen, nur dem eigenen Wohlbefinden dienen, Angst machen, bedrängen oder übergriffig sein. Wer eine Behinderung hat, kennt sich meist aus mit Hilfe, damit Hilfe zu brauchen und auch zu bekommen, dass niemand da ist, um zu helfen oder ungefragt oder gefragt Hilfe aufgedrängt zu bekommen.

Helfen tut gut. Es gibt ein gutes Gefühl. Und wir haben in unserer Erziehung doch alle vermittelt bekommen, das es unhöflich ist, nicht zu helfen. Wer gläubig ist, hat gewöhnlich auch Bedeutung und Segen des Helfens im religiösen Kontext beigebracht  bekommen. Helfen ist eine Tugend. Wer nicht hilft, wird als hartherzig angesehen. Nicht zu helfen, macht Schuldgefühle.

Eine Menge Weisheit rund ums Helfen… 

Aber worauf will ich nun eigentlich hinaus?  Mir geht es darum, wie und wann man einem Menschen mit Behinderung hilft. Zunächst einmal ein konkretes Beispiel: Würde man einer fremden Frau, die dabei ist, etwas umständlich ein Buch in ihre Handtasche zu stecken, einfach so dazwischen greifen? Da denkt wohl jeder ein klares, empörtes Nein!  Wie sieht es aber aus, wenn diese fremde Frau im Rollstuhl sitzt und ihre Handtasche hängt hinten an der Rückenlehne? Immer noch klar und empört Nein? Leider nicht.

Irgendwie scheinen Taschen, die hinten am Rolli hängen, ganz selbstverständlich für jedermann zugänglich zu sein. Ich habe das schon mehr als einmal erlebt, dass mir Leute ungefragt helfen und Dinge hinten in die Tasche oder den Rucksack stecken wollten. Gerade wieder vor ein paar Tagen in der Thalia-Buchhandlung in der Spitaler  Straße in Hamburg. Ich sagte dann zu der überfreundlichen Frau: “ Bitte fragen sie vorher immer erst..“ Die beleidigt klingende Erwiderung: “ Ich wollte doch nur helfen „. Mein erster Impuls war, ich könnte ja auch mal helfend nach ihrer Handtasche greifen. Ich konnte dem aber widerstehen.

Kurz vor dem Ausrasten bin ich, wenn plötzlich jemand ohne Frage oder Ankündigung meinen Rollstuhl schiebt. Zum einen ist das immer ein Schreck und zum zweiten fürchte ich dann auch um meine Finger. Abgesehen von dem Schreck, den mancher Schieber auch durch die Kippeligkeit meines Rollis kriegt. So schwer kann eine einfache Frage doch nicht sein: Brauchen sie Hilfe? Darauf kann ich ja oder nein antworten und mich für die freundliche Nachfrage bedanken. Ich erwarte aber auch, dass ein NEIN akzeptiert wird.

Wenn ich nicht gerade in Schweden, bei Gewerkschaftlern oder Sozialdemokraten bin, möchte ich auch nicht ganz selbstverständlich von jedem geduzt werden, weil ich behindert bin und im Rollstuhl sitze. Ich bin fast fünfzig Jahre alt, Mutter zweier erwachsener Kinder, Angestellte im Gesundheitswesen.  Außerdem frage ich mich sowieso, weshalb viele Leute erwachsene Behinderte einfach duzen.

Regelmäßig sauer werde ich auch beim Einkaufen im Supermarkt an der Kasse. Mit der allerschönsten Selbstverständlichkeit räumen mir Leute meine Ware aus dem Rollstuhlfahrer-Einkaufswagen auf das Kassenband. Natürlich ohne vorher zu fragen, ob mir das recht ist. Nein! Das ist mir nicht recht! Ich habe meine Ordnung darin, in welcher Reihenfolge die Sachen aufs Band kommen, damit ich sie hinterher so in den Wagen legen kann, dass ich sie gut in die Einkaufstasche im Auto packen kann.  Die größte Hilfe ist in diesem Fall, nicht zu helfen.

Wer helfen will, soll das gerne tun. Ich finde das immer wieder sehr nett. Und es gibt viele Situationen, in denen Hilfe und Unterstützung eine große Erleichterung sind. Ich bin da auch immer sehr dankbar. Dankbar bin ich aber auch immer, wenn ich vorher gefragt werde, ob ich Hilfe brauche oder will.