Sprache und Verstehen – Grundlage des Zusammenlebens

Nicht verstehen können macht unsicher, Unsicherheit macht Angst. Wer schon einmal Urlaub gemacht hat in einem Land, dessen Sprache er nicht konnte, kennt das Gefühl. Noch schlimmer ist es, wenn die Schrift auch noch ganz anders aussieht. Ganz schnell sausen Fragen durch den Kopf: Mache ich alles richtig, wo muss ich denn nun lang gehen, ob die über mich reden, was sagen die da bloß, was werde ich gleich auf meinem Teller finden…?

Das ganze Leben wird bestimmt von Sprache – gesprochener Sprache, geschriebener Sprache, aber auch Körpersprache, Lautstärke und Tonlage. Sprache ist eine der wichtigsten, wenn nicht gar die wichtigste Grundlage für das Zusammenleben von Menschen. Sprache verbindet, insbesondere im Zeitalter der Kommunikation. Überall auf der Welt, fast ohne nachzudenken verständlich ist die Mimik, der Gesichtsausdruck, die Sprache von Lachen, Weinen, Lächeln, enttäuscht oder wütend gucken. Aber auch auf die kann nicht jeder zurückgreifen: Blinden ist es verwehrt und die meisten Autisten müssen diese Sprache mühsam lernen.

Sprache muss zugänglich und verständlich sein, für jeden. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten, von der gesprochenen Sprache, über Gebärdensprache, Geschriebenes, Blindenschrift bis hin zu Filmen oder Bildern. Sprache muss auch von ihrem Inhalt her verständlich sein – und da fängt es an schwierig zu werden: Verschiedene Berufe haben ihre Fachsprache. Manchmal fällt es schon Menschen aus unterschiedlichen Berufsgruppen schwer, sich untereinander zu verstehen. Sprache grenzt häufig nämlich auch ab oder aus. So wie eine Bande kleiner Jungs, die sich eine Geheimsprache ausgedacht haben. Die lernt aber nur, wer zur Bande dazu gehört.

Es ist in Ordnung unter Bandenmitgliedern oder Berufskollegen die Geheim- oder Fachsprache zu sprechen. Wenn aber ein Aussenstehender dazu kommt, gebietet es die Höflichkeit auf eine allgemeinverständliche Sprache zurückzugreifen. Wenn ich mit meinem Mann zusammen in Frankreich bin, sprechen wir untereinander Deutsch, gesellt sich aber ein Franzose zu uns, sprechen wir Französisch.

Menschen mit Behinderung haben oft mit Fachleuten aus unterschiedlichen Berufsgruppen zu tun. Das fängt an mit Medizinern, über Mitarbeiter von Sozialbehörden, Sozialpädagogen bis hin zu Therapeuten, Betreuern, Rechtsanwälten oder Gutachtern. Jeder spricht seine eigene Fachsprache, jeder schreibt auch Formulare oder Dokumente über und für den behinderten Menschen – in seiner Fachsprache. Seine Kollegen und Vorgesetzten erwarten das so. Für diejenigen ausserhalb des jeweiligen Fachbereiches ist das oft schwer verständlich, das Ausfüllen von Formularen oft schwierig. Sprache muss also auf einen Nenner gebracht werden, muss verständlich sein. Wenn ich nicht verstanden werden will, dann brauche ich auch nichts zu sagen oder zu schreiben.

Leichte Sprache

Jeder Mensch hat ein Recht darauf entsprechend seinen Fähigkeiten angesprochen zu werden. Für einen Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernbehinderung gibt es seit kurzer Zeit die sogenannte leichte Sprache. Was das konkret heißt zeigt der folgende kleine Film, den der Sozialverband Deutschland VDK ins Netz gestellt hat:

Film über leichte Sprache

Leider gibt es bisher so gut wie keine Filme, Bücher, Radio- oder Fernsehsendungen in leichter Sprache, so dass beispielweise für Erwachsene auf nicht Altersgerechtes für Kinder zurückgegriffen werden muss.

Teilhabe für Hör- und Sehgeschädigte, Taube und Blinde

An vielen Stellen sind Menschen mit Hör- oder Sehbehinderungen von der Teilhabe ausgeschlossen, ebenso wie oftmals auch Menschen die Analphabeten sind, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht lesen gelernt haben. Hier bieten sich ganz unterschiedliche Möglichkeiten an, Abhilfe zu schaffen: Informationstafeln beispielweise in Museen könnten auf Knopfdruck vorgelesen und ebenfalls als Tafeln in Brailleschrift angeboten werden. Bei Vortragsveranstaltungen könnte in der Ankündigung stehen, bei Bedarf steht ein Gebärdendolmetscher zur Verfügung. Kino- und Fernsehfilme könnten grundsätzlich auch als Hörfilmfassung und mit Untertiteln erscheinen. Wichtige Informationen, Anleitungen und anderes könnten grundsätzlich mit gut verständlichen Bildern versehen werden. Dies wiederum würde auch Menschen helfen, die Schwierigkeiten haben, längere Texte zu verstehen und umzusetzen.

Unterstützte Kommunikation

Es ist unglaublich wichtig, auch selber verstanden zu werden, wenn man Wünsche, Bedürfnisse,Gefühle, seine Meinung oder sein Befinden ausdrücken will. Dafür gibt es für Menschen, die nicht sprechen können unterschiedliche technische Hilfsmittel, die natürlich den jeweiligen Bedürfnissen und Fähigkeiten des Benutzers angepasst sein müssen. Hilfreich sind auch spezielle Bücher mit Abbildungen, die gerade in der Frührehabilitation beispielsweise nach einen Schlaganfall gute Dienste leisten. Wichtig ist hier vor allem bei den Mitmenschen Geduld und kein vorschnelles Behaupten, man habe schon verstanden. Jemanden der sprechen kann, lässt man schließlich auch ausreden.

Vermurksen von Sprache durch die Gutmenschen

Sprache entwickelt und verändert sich ständig. Gerne helfen dabei auch die Gutmenschen, indem sie beispielsweise beschließen, dass künftig klar sein muss, dass immer Menschen beiderlei Geschlechts gemeint oder angesprochen sind. Das hat dazu geführt, dass manche Texte vor lauter „/Innen“ gar nicht mehr flüssig zu lesen sind.

Mitunter entstehen auch holperige Bandwurmbegriffe, wo früher ein Wort ausreichte: Menschen mit Behinderung zum Beispiel, früher waren das einfach Behinderte. Mit der Veränderung des Begriffs hat sich so gut wie nichts für die gemeinten Menschen verändert und WfbM (Werkstätten für behinderte Menschen) sind vom ersten Arbeitsmarkt immer noch fast genauso weit entfernt wie früher die Behindertwerkstätten (aber offenbar fällt es dafür umso leichter, immer mehr Männer und Frauen dahin zu schicken, statt zu schauen, ob sie mit Assistenz nicht doch richtig arbeiten und Geld verdienen können). Schön finde ich auch den Begriff Unterarmgehstützen. Ich fühle mich von den Dingern nicht weniger abhängig, als wenn man sie als Krücken bezeichnet. Schließlich frage ich mich noch, ob es im Pflegeheim weniger hektisch und liebevoller zugeht, wenn den Menschen anstelle eines Latzes ein Bekleidungsschutz umgebunden und ihnen dann das Essen gereicht wird, statt sie zu füttern.

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